FANLADEN ST.PAULI

…mehr als ein Fanprojekt



Stellungnahme zu den Vorfällen am 17.11.

28.11.2006

Wir sind erschüttert und entsetzt über den Einsatz der Polizei im und am Fanladen am Freitag nach dem Erfurtspiel.
Wir haben mit unserem Vorstand und der Geschäftsführung des Verein Jugend und Sport e.V. einen gemeinsamen Text entworfen, um der steigenden Repressions-Spirale und verhärteter Fronten entgegen zu treten. Diesen haben wir der Polizei-Einsatzleitung und der Ebene darüber zugesandt mit der Bitte um Änderung in der Polizeitaktik. Daraufhin kam keine Reaktion.

Deshalb veröffentlichen wir diese Stellungnahme jetzt hier und hoffen auf eine öffentliche Reaktion und größeren Druck in Richtung der Verantwortlichen für die Polizei-Einsätze der letzten Monate.
Zur Verhältnismäßigkeit der Einsätze und der Wertschätzung langjährig etablierter Fanarbeit beim FC St. Pauli durch die Hamburger Polizei
Stellungnahme des Fanladen St. Pauli, des Fanprojekts des FC St. Pauli, zu den Vorfällen nach dem Heimspiel des FC St. Pauli gegen Rot-Weiß Erfurt am Freitag, den 17.11.2006

Am Freitag, den 17.11.2006, kam es nach dem Heimspiel des FC St. Pauli gegen Rot-Weiß Erfurt im Rahmen des traditionellen Marsches der Fangruppierung Ultrà Sankt Pauli vom Stadion zum Fanladen St. Pauli in der Brigittenstraße in dessen unmittelbarer Nähe zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Fans und Polizei.
Im Zuge des polizeilichen Einsatzes wurde massiv mit Schlagstöcken und Pfefferspray sowohl gegen die TeilnehmerInnen des Marsches als auch gegen Unbeteiligte und vermittelnde Fanprojekt-Mitarbeiterinnen vorgegangen. Ebenso wurden Fans nach eigenen Angaben verschiedentlich durch Beamte beleidigt und in teils drastischer Art und Weise verbal bedroht.
Etwa eine Stunde später kamen circa 15-20 uniformierte Beamte in Schutzausrüstung in den Fanladen, um von den noch etwa 10 anwesenden Personen (inkl. der Fanladen-MitarbeiterInnen) die Personalien und (teilweise auch von den Fanladen-MitarbeiterInnen) Fotos aufzunehmen. Währenddessen hatten circa 50 Beamte das Gelände um den Fanladen abgesperrt und jeglichen Durchgang verweigert. Die ursprünglich durch den Leiter der Maßnahme im Fanladen geäußerte Begründung für das Vorgehen lautete auf Strafverfolgung des Tatbestands Beleidigung, was zu einem späteren Zeitpunkt durch den Einsatzleiter um die Tatvorwürfe des schweren Landfriedensbruchs und versuchter schwerer Körperverletzung erweitert wurde.

Selbstverständlich und als immanenter Teil unseres professionellen Auftrags als kritisch-parteiliche VertreterInnen von Faninteressen distanzieren wir uns deutlich von jeglichen gewalttätigen Handlungen von Seiten der FußballanhängerInnen, wie Angriffe, bspw. in Form von Flaschenwürfen auf Polizeibeamte. Solches Verhalten wird von uns weder akzeptiert noch geduldet, und es liegt uns fern, Formen von Gewalt zu verharmlosen.

Jedoch lassen uns sowohl alle Berichte und Eindrücke, die wir von den Ereignissen und deren Entwicklung selbst gewinnen konnten, als auch die Schilderungen von TeilnehmerInnen des Marsches – St.-Pauli-Fans jeglicher Couleur und jeglichen Alters – sowie von unbeteiligten AugenzeugInnen und BesucherInnen des Fanladens übereinstimmend zu einem Schluss kommen, der uns veranlasst, die Verhältnismäßigkeit des polizeilichen Vorgehens an diesem Abend in seiner Massivität deutlich infrage zu stellen.

Bedauerlicherweise ist dies nicht zum ersten Mal geschehen. Die am vergangenen Freitag erreichte Eskalationsstufe steht aus unserer Sicht vielmehr für eine neue Qualität in einer ordnungspolitischen Spirale repressiver Maßnahmen gegenüber zumeist jugendlichen Fußballfans, die sich seit geraumer Zeit in Hamburg beobachten lässt.

Kurzfristigen, ordnungspolitischen Interventions-Strategien scheint derzeit der Vorzug gegeben zu werden sowohl gegenüber deeskalierenden polizeilichen Handlungsalternativen als auch gegenüber langfristig und auf Nachhaltigkeit angelegten, sozialpräventiven Herangehensweisen der Fanarbeit. Dies bestätigt sich in drastischer Form anhand der Vorgehensweise im Zuge des Einsatzes in den Räumlichkeiten des Fanladens und der dort vorgenommenen Personalienfeststellungen, wodurch in besorgniserregender Art und Weise ein geschützter Raum eines anerkannten freien Trägers der Jugendhilfe durch polizeiliche Intervention missachtet wurde.

Diesem Schritt geht die Entwicklung voraus, innerhalb derer der verantwortliche Polizei-Einsatzleiter uns mehrfach das Vertrauen in unsere Arbeit abgesprochen sowie in Sicherheitsbesprechungen zu den Heimspielen des FC St. Pauli die Unmöglichkeit einer konstruktiven Zusammenarbeit mit dem Fanladen St. Pauli zum Ausdruck gebracht hat. Dies geschah insbesondere aufgrund unserer Weigerung, vertrauliche Informationen aus der Fanszene an die Polizei weiterzugeben.

Die Arbeit eines Fanprojekts gemäß dem „Nationalen Konzept Sport und Sicherheit (NKSS)“, der Arbeitsgrundlage aller sozialpädagogischen Fanprojekte in Deutschland zusammen mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz SGB VIII, basiert auf der Herstellung eines Vertrauensverhältnisses zu den Fans.

Schon allein angesichts des sehr negativ belasteten Verhältnisses zwischen Fans und polizeilichen Organen im modernen Fußball kann und darf Fanarbeit nur mehr nach beiden Seiten vermittelnd tätig sein, aber keinesfalls zum verlängerten Arm ordnungspolitischer Instanzen werden! Würden FanarbeiterInnen bspw. personenbezogene oder andere vertrauliche Daten an die Polizei weiterleiten, würde dies zum unweigerlichen Verlust der Vertrauensbeziehung zu den Fans führen.

Diese Arbeitsgrundsätze werden von Seiten des Fanladen St. Pauli bereits seit über 16 Jahren aktiv und erfolgreich vertreten und sollten auch der Polizei bekannt sein.

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