FANLADEN ST.PAULI

…mehr als ein Fanprojekt



FRÜHER WAR ALLES BESSER!Das glaubst du doch selbst nicht!

17.04.2013

Vortrag und Diskussion mit Dieter Bott am 07.05. um 19 Uhr im Fanladen St. Pauli

DBott

Der Soziologe Dieter Bott gilt als einer der Wegbereiter für die Fanarbeit im Fußball. Der Soziologe ist Mitbegründer der Fanprojekte in Frankfurt, Duisburg und Düsseldorf.

Nach dem viele Jahre das öffentliche Bild von der Hooligan-Szene geprägt war, freut sich Bott darüber, dass heute kreative und kritische Fans den Ton angeben.

Am Dienstag, den 07. Mai- An dem Tag, an dem Carl Hagenbeck 1907 “ neue Maßstäbe für die artgerechte Haltung von exotischen Tieren setzte“ überprüfen wir im Fanladen St.Pauli ab 19 Uhr die Fan & Fußball kritischen Thesen, die Dieter Bott über Sport und Politik – gegen Bild und Beckenbauer- formulierte…

Der Einstieg in den spannenden Abend erfolgt mit der „Bild“ vom Tage, die Bott seit 25 Jahren täglich studiert und vor allem kritisiert in der Nachfolge von Adorno, dessen Kritik an der „Sportifizierung der Welt“ von Dieter Bott aktualisiert wird.

Vorab ein kurzer Einblick…

Wann gab es eigentlich die ersten Fans?
DB: Der Begriff wurde wohl zum ersten Mal bei der wirklich leidenschaftlichen und hysterischen Verehrung für den Sänger Frank Sinatra in den 1940er-Jahren verwendet. Die Fans haben so laut gekreischt, dass man seine Songs nicht mehr verstanden hat.

Vorher gab es in England aber schon den Begriff des „Supporters“, was ja eigentlich vom Wortsinn etwas anderes ist als ein Fan. Dieser will unterstützen und mitgestalten und nicht nur von Außen bewundern.
DB: Deswegen sprechen die Funktionäre hierzulande lieber von ihren Fans. Nicht nur ideologisch ist der „kritische Staatsbürger“ out und vergessen Kritik gilt als negativ und destruktiv. „Opposition ist Mist“ hatder ehemalige SPD-Vorsitzende Müntefering gesagt. Und der Radikale, der nicht an der Oberfläche stehen bleibt, sondern bis zur Wurzel vordringt, wird als Besserwisser und als arrogant diffamiert.

Deswegen richtet sich der Blick der Vereine auf die junge Familie, die nur unterhalten werden will, ohne das System Profifußball zu hinterfragen?
DB: Dass die Unterhaltungsindustrie von Sport und Musik, Medien und Mode den Fan –egal von was – als erwünschten konsumtüchtigen Staatsbürger von heute sowohl benötigt als ihm auch suggeriert, ein Teil des Ganzen zu sein. Die Industrie braucht den Fan als willigen Kunden für die Werbebotschaften, aber auch als denjenigen, der mitzittert, mitfiebert, mitjubelt und mitgestaltet– und nach qualvollen und tränenreichen Selbstzweifeln (wie bei den Grünen) auch mitbombardiert. Kurzum: Wir begegnen dem guten alten deutschen Feld grauen Mitläufer aus der Nazi-Zeit im neuen bunten Gewand. Er soll voll dabei sein, aber nichts hinterfragen. Ein wirkliches Innehalten –wie bei Robert Enke – kann sich der Betrieb nicht leisten. Wachstum, Wachstum, Aufstieg und Visionen. Bis die Hummer-Karren den Abhang runterstürzen, vor die Wand fahren oder unverkäuflich auf dem Schrottplatz stehen. Ob dann noch der Arzt hilft?

Also ist der Fußballfan für die Industrie ein Glücksfall, weil er eben doch kein normaler Kunde ist, sondern Identifikation zum „Konzern“ mitbringt?
DB: Was sind diese Stars ohne ihre Fans? Nehmen wir eins dieser Idole. Die Lichtgestalt Franz Beckenbauer, die der Autor Michael Rudolf unübertroffen als „stützstrumpffarbene Elementar-Null“ charakterisiert hat. Würden sich die Fans von Franz Beckenbauer mit einem Ruck abwenden, dann steht der Kaiser gewaltig im Dunkeln.

Deswegen haben dich auch von Beginn an die kritischen Fans interessiert? Und nicht die Masse an so genannten Mode-Fans?
DB: Benebelte und sich selbst berauschende Fans, die ihren Wunschobjekten nachjagen, die mit den Siegern gehen und mit dem, was gerade in ist oder ihnen aufgeschwatzt und vorgesetzt wird, diese erwarten unerbittlich immer den Triumph und den Erfolg, den sie selber nicht haben. Als sei der Mensch eine Maschine. Deswegen wenden diese sich bei Misserfolg wieder schnell ab. Fans, die von Saison zu Saison die Klamotten und die Meinung wechseln, je nach dem, was angesagt ist und Erfolg, Reichtum und Karriere verspricht, auf solche Leute kann man verzichten. Der flexible Fan von heute ist ein Spielball von Freizeit-Industrie und Kommerz. Er kann uns gestohlen bleiben. Aber Obacht! Wer von uns sitzt nicht im Glashaus? Wir sind und waren auch mal Zwerge mit naivem angepassten Bewusstsein und schlechtem Musikgeschmack, ehe wir zu den Riesen von heute geworden sind. Kritisch und unabhängig, selbstbestimmt und autonom.

Also ist nur der Extrem-Fan der richtige?
DB: Der gnadenlos verbissene, orthodoxe, hundertfünfzigprozentige Schlachtenbummler kommt mir unheimlich und unmenschlich vor. In Gestalt des religiösen oder politischen Fundamentalistenstiftet er genug Unheil. Beim Sport und Fußball finde ich ihn sehr entbehrlich.

Fanladen St. Pauli, Brigittenstraße 3, 20359 Hamburg
gemeinsam mit Dieter Bott

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